Das Lipödem
Richtige medizinische Bezeichnung:
Lipohyperplasia dolorosa
Synonyme:
Lipomatosis dolorosa, Lipohypertrophia dolorosa, Adipositas dolorosa, Adiposalgie, Lipalgia, Säulenbein, Lipödemsyndrom, Krautstampfer oder Betonstampfer (umgangssprachlich)
Lipödem - Definition
Das Lipödem (Lipohyperplasia dolorosa) ist eine häufig verkannte Erkrankung des Fettgewebes. Sehr oft familiär bedingt, kommt es hauptsächlich bei Frauen zu einer Vermehrung des Fettgewebes an den Beinen und häufig auch an den Armen. Bei Männern tritt das Lipödem exrem selten auf und dann praktisch nur im Rahmen von hormonellen Erkrankungen. Die krankhafte Vermehrung (Hyperplasie statt Hypertrophie) von Fettzellen (Adipozyten) beginnt in den meisten Fällen in der Pubertät, in der Schwangerschaft oder seltener erst im Wechsel (Klimakterium).
Leider ist die Diagnose Lipödem auch unter ärztlichen Kollegen noch nicht sehr bekannt, obwohl man annimmt dass etwa 5-10% der Frauen im deutschsprachigen Raum an dieser Erkrankung leiden. In lymphologischen Fachkliniken zeigten Untersuchungen sogar einen Lipödem Anteil von bis zu über 15% der stationären Patientinnen. Im allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen.
Der Begriff Lipödem ist ein Misnomer (Fehlbezeichnung), da es sich in den allermeisten Fällen um kein Ödem handelt. Ein begleitendes Lymphödem, also ein Lipolymphödem, ist sehr selten. Trotzdem werden sehr oft jahrelange Kompressionstherapien, manuelle und apparative Lymphdrainagen und sogar stationäre Kuraufenthalte verschrieben, ohne vorab abgeklärt zu haben um welche Form des Lipödems es sich handelt. Diese Maßnahmen führen in einem frühen Stadium eines reinem Lipödems, ohne Stauungskomponente, zu keiner anhaltenden Verbesserung, da Fettgewebe weder ausmassiert, noch durch Kompression entfernt werden kann! Aus diesem Grund ist eine gründliche Diagnostik der Eckpfeiler einer jeden weiterführenden Lipödem Therapie. Wird diese gewissenhaft durchgeführt, kann differenziert werden, welche Patientin mehr von einer konservativen und welche lediglich von einer operativen Maßnahme profitiert (Siehe Diagnostik).
Aufgrund von Vorurteilen und Unwissenheit werden den Frauen Bewegungsmangel und Ernährungsprobleme unterstellt. Viele der Lipödem Patientinnen haben jedoch mehrfach frustrane Diät- und Bewegungsprogramme hinter sich. Leider mit keinem oder nur geringem Erfolg. Sehr typisch ist auch, dass durch eine erfolgreiche Gewichtsabnahme der Bauch bzw. der Stamm allgemein schlanker wird, an den Beinen die Fettdepots jedoch bestehen bleiben. In ausgeprägten Fällen kann es zum Wundreiben der Oberschenkelinnenseiten mit nachfolgender Pilz oder Bakterien Infektion kommen. Die weitere Schonhaltung führt zu orthopädischen Folgeschäden.
Die frustranen Versuche Gewicht zu reduzieren führen nicht selten zu Antriebslosigkeit und depressiver Verstimmung, sowie Verschlimmerung eines etwaigen zusätzlichen Übergewichtes. Die Patientinnen beschreiben das Gefühl, als würde der Unterkörper nicht zum Oberkörper gehören, dies wird auch als "Two Body Syndrome" bezeichnet.
Leider führen auch einige Medikamente, wie zum Beispiel spezielle Gruppen von Antidepressiva, zu einer unkontrollierten Vermehrung des Fettgewebes. Diese kann den Zustand des Lipödems weiter verschlimmern.
Untersuchungen zeigten auch, dass falscher bzw. exzessiver Sport die Schwellung in den Beinen verstärken kann, da das Lymphsystem dadurch noch weiter belastet wird.
Durch die Schmerzen in den Beinen kommt es leider oft zu Antriebslosigkeit und Immobilität. Dies begünstigt in weiterer Folge eine Adipositas, die zusätzlich zu einer Belastung führt.
Dieser Kreislauf muss unterbrochen werden und eine Druckentlastung an den Beinen macht es der betroffenen Person wieder möglich, einer sportlichen Aktivität nachzugehen.
Der Verlauf der Erkrankung ist nicht vorherzusehen, in den meisten Fällen kommt es jedoch zu einer Progredienz, also zum Fortschreiten der Erkrankung. Häufig zeigt sich, nach dem Beginn in der Pubertät, in den nachfolgenden ein bis zwei Dekaden eine langsame aber stetige Zunahme des Bein- und Armumfanges. Da dies schleichend verläuft, fällt es den betroffenen Patientinnen nur auf, wenn sie ihre Figur mit älteren Fotos vergleichen. Aus diesem Grund ist es ratsam, bei Verdacht auf ein Lipödem, halbjährliche Umfangsmessungen durchzuführen.
In einigen Fällen kommt es auch innerhalb weniger Monate zu einer massiven Zunahme der Unterhautfettschicht an den Extremitäten. Die Patientinnen beschreiben, in den letzten Monaten förmlich "explodiert" zu sein. Eine wirkliche Ursache kann selten ausgemacht werden und die Laboruntersuchungen, inklusive einer Hormonabklärung, sind fast immer unauffällig. Häufig ist jedoch zu beobachten, dass mit dem Ansetzen, Umstellen oder Absetzen der Pille so ein Schub ausgelöst werden kann.
Differentialdiagnosen
Lipohypertrophie
Das Lipödem muss von der Lipohypertrophie unterschieden werden. Bei dieser kommt es, meist familiär bedingt, zu einer disproportionalen Körperfettverteilung. Bei schlankem Oberkörper kann der Unterkörper, vor allem der Reiterhosenbereich, unverhältnismässig ausgeprägt sein. Die Form ändert sich meistens über die Jahre nicht, bzw. nur sehr gering und es besteht keine Schwellungsneigung und kein Spontan- oder Druckschmerz. Auch die im Ultraschall einsehbaren Anhaltspunkte vom Lipödem sind bei der Lipohypertrophie nicht zu finden. Es ist somit keine Erkrankung wie das Lipödem und somit ein kosmetisches "Problem" und erfordert keine medizinisch notwendigen Maßnahmen. Im Sinne einer Körperformung kann bei Sport- und Diätresistenz eine ästhetische Fettabsaugung durchgeführt werden.
Lymphödem
Das Lymphödem wird nicht durch eine Fettgewebsvermehrung, sondern durch einen Rückstau an Lymphflüssigkeit verursacht. Es wird zwischen einem primären und einem sekundären Lymphödem unterschieden. Die primären Lymphödeme sind eine meist angeborene Fehlbildung des Lymphsystems, mit fehlenden Lymphbahnen oder verringerter Abtransportkapazität. Sekundäre Lymphödeme entstehen im Laufe des Lebens und werden durch Entzündungen, Tumore oder durch operative Eingriffe ausgelöst. Aus diesem Grund ist es so essentiell, bei Planung eines operativen Vorgehens bei Lipödem, keine normale ästhetische, sondern eine lymphschonende Fettabsaugung durchzuführen.
Durch den Rückstau der Flüssigkeit reicht die Schwellung nicht wie beim Lipödem nur bis zum Sprunggelenk, sondern reicht über die Vorfüße bis in die Zehen. In ausgeprägten Fällen ist die Haut der Zehen dann nicht mehr abzuheben und das sogenannte Stemmer Zeichen ist dann positiv. Dieses ist beim reinen Lipödem immer negativ.
Durch einen langjährigen Rückstau kann es auch zu einer Fettgewebsvermehrung kommen und somit sekundär zu einem Lipödem. Es würde dann ein Lipolymphödem bestehen. Auch umgekehrt kann ein lang bestehendes Lipödem, sekundär zu einem Lymphödem führen und auf diese Weise in einem Lipolymphödem resultieren.
Ein chronischer Lymphstau führt nicht nur zu einer reaktiven Fettvermehrung sondern auch zu einer Schädigung der Haut. Dies äußert sich in farblicher und struktureller Veränderung der Haut und das Risiko für eine lokale Infektion, wie z.B. einen Rotlauf (Erysipel), steigt drastisch an. Das Tragen von spezieller Kompressionswäsche ist beim Lymphödem in jedem Fall notwendig (Siehe Konservative Therapie). In speziellen Fällen kann auch beim Lymphödem eine Liposuktion durchgeführt werden.
Phlebödem
Eine Erweiterung der oberflächlichen Venen, mit begleitender Klappenschwäche, führt zu einer chronischen Venenerkrankung. Diese kann durch eine familiäre Vorbelastung, oder nach einer tiefen Beinvenenthrombose auftreten. In den meisten Fällen ist ein Bein stärker betroffen als das andere. Die Anamnese hierfür ist typisch und auch das klinische Erscheinungsbild für den Untersucher in der Regel eindeutig. Durch den Rückstau im venösen Gefäßsystem wird Flüssigkeit in das Bindegewebe gedrückt und es entsteht das klassische Ödem. Mit den Fingern ist am Unterschenkel oder Fußrücken eine Delle eindrückbar.
Besteht diese Schwellung länger, sind Hautveränderungen die Folge. Diese äußern sich in Ausdünnung der Haut, mit dem Risiko für offene Beine (Ulcus cruris), rötlich-bräunlicher Verfärbung und Schuppung im Sinne von juckenden Ekzemen.
Ein Venenleiden wird mit dem Duplex/Doppler Ultraschall diagnostiziert. Aus diesem Grund ist eine Sonografie des Venensystems bei der Lipödem Diagnostik unabdingbar, um ein Phlebödem von einem Lipödem, einem Lymphödem und selteneren Mischformen, wie einem Phlebolipolymphödem zu unterscheiden (Siehe Diagnose).
Adipositas
Das Lipödem wird leider sehr häufig mit der Adipositas (Übergewicht, Stammfettsucht) verwechselt. Erschwerend kommt hinzu, dass ca. 50% Der Lipödem Patientinnen zusätzlich adipös sind. Das bedeutet, dass sie einen BMI (Body Mass Index) von über 30 haben. Die begleitende Adipositas entsteht oft aus Frustration, da jahrelange sportliche Aktivität und diätetische Maßnahmen keinen, oder einen nur sehr geringen Erfolg brachten. Die lipödemspezifischen Schmerzen beim Sport in den Beinen hindern viele Lipödem Patientinnen, ausreichend körperliche Aktivität zu betreiben. Das Resultat ist eine allgemeine Gewichtszunahme.
Dabei kommt es nicht nur an den Beinen zu einer Fettgewebsvermehrung, sondern am gesamten Körper. Diese stammbetonte Umfangsvermehrung demaskiert oft die lipödemspezifische Disproportion, welche zwischen Ober- und Unterkörper besteht. Die Patientinnen werden dann nur mehr als dick abgestempelt. Sportliche und diätetische Maßnahmen führen jedoch bei der Adipositas in der Regel zum Erfolg. Das Fettgewebe an Bauch, Brust, Hals etc. verringert sich. Auch an stammnahen Bereichen der Arme und Beine, vor allem den Oberarmen und Oberschenkeln bis knapp über das Knie, ist eine Umfangsreduktion möglich. Besteht jedoch parallel ein Lipödem, zeigt die Gewichtsabnahme sehr wenig Effekt im Bereich der Kniefettkörper und der Unterschenkel.
Die Adipositas kann zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie Diabetes, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Arteriosklerose etc.) führen. Diese metabolischen Erkrankungen sind beim Lipödem interessanterweise äußerst selten (Siehe Forschung).
Ziel ist eine Gewichtsreduktion auf natürlichem Weg. Ist dies nicht möglich, kann die bariatrische Chirurgie (Magen Bypass) angedacht werden. Nach erfolgter, teils massiver Gewichtsabnahme von bis zu 100kg, wird bei der Kombination Lipöden und Adipositas die Disproportion wieder deutlich und das Lipödem tritt wieder in den Vordergrund. Eine Fettabsaugung kann nun durchgeführt werden, die überschüssige Haut muss in vielen Fällen dann zusätzlich noch gestrafft werden.
Benigne Symmetrische Lipomatose (Morbus Madelung)
Das Madelung Syndrom ist eine gutartige, jedoch wucherartige Vermehrung von Fettgewebe, meist im Bereich des Nackens, Kinn, Brust, Schultern und der stammnahen, oberen Extremität. Es existiert auch eine seltenere Variante dieser Fettverteilungsstörung, bei welcher hauptsächlich die Hüfte betroffen ist, diese ist ebenfalls relevant als Differentialdiagnose zum Lipödem.
Da es zu monströsen Auswüchsen von Fettgewebe an Brust und Schultern kommen kann, wird der eine Typ auch "pseudoathletisch" oder umgangssprachlich auch "Hulk Syndrom" genannt. Im Gegensatz zum Lipödem sind hauptsächlich Männer betroffen und oft ist eine ausgeprägte Alkoholanamnese zu erheben. Außer diesem überhäufigen Zusammenhang gibt es, wie beim Lipödem, noch keine wissenschaftlich fundierte Erklärung für die Entstehung.
Im Gegensatz zum Lipödem ist diese Erkrankung aber häufig von metabolischen und anderen internistischen Erkrankungen begleitet.
Bestehen lediglich mehrere Lipome welche schmerzhaft sind, dann wird dies Lipomatosis dolorosa (Morbus Dercum) bezeichnet. Diese gutartigen Fettgewebstumore können von einem Dermatochirurgen problemlos in Lokalanästhesie entfernt werden.
Quickfacts Lipödem
- Beginn mit Pubertät, Schwangerschaft (oft 2. Schwangerschaft!), Menopause oder Hormontherapie
- Disproportionale Fettgewebsvermehrung (Two Body Syndrome)
- Kragen- oder Muffbildung im Bereich der Gelenkregionen (nur Ganzbein/Ganzarmtyp)
- Hände und Füße nicht betroffen (wenn kein zusätzliches Lymphödem vorliegt)
- Schwere- und Spannungsgefühl der betroffenen Extremitäten (fast immer symmetrisch)
- Schmerzhaftigkeit auf Druck oder spontan (Zunahme im Tagesverlauf)
- Ödeme – In niedrigen Stadien oft nicht vorhanden (Zunahme im Tagesverlauf)
- Hämatomneigung (ohne bzw. nur minimales Trauma)
- Stemmer-Zeichen negativ (Haut am Zehenrücken nicht abhebbar)
- Schmerzen oft unabhänig vom Stadium (Stadium 1 oft schmerzhafter als Stadium 3)
- Je nach Befund konservative und operative Möglichkeiten verfügbar
- Bei Ausschluß Lipödem ist eine Operation aus ästhetischer Sicht möglich
- Allumfassende Diagnose notwendig um Differentialdiagnosen auszuschließen
Geschichte des Lipödems
Sehr viel ist über das Lipödem noch nicht bekannt, bzw. stammen die meisten Erkenntnisse aus den letzten zwanzig Jahren. Es gibt jedoch schon Beschreibungen bzw. künstlerische Darstellungen, welche weit vor Christi Geburt bis in das alte Ägypten zurückreichen. Im ägyptischen Tempel Hatschepsut in Deir el-Bahari ist die Königin von Punt mit typischer Morphologie eines Lipödems Typ I-IV im Stadium 3 dargestellt.
Auch die über 5000 Jahre alte Statue einer Göttin im Tempel von Hal Tarxien auf Malta lässt am Unterschenkel ein Lipödem erahnen.
Die erste wissenschaftliche Beschreibung des Lipödems erfolgte erst im letzten Jahrhundert - Allen EV und Hines EA (1940) Lipedema of the legs. Proc. Mayo Clin 15: 184-187.
Seither hat sich die Lipödemtherapie enorm weiterentwickelt. War es anfänglich nicht möglich chirurgisch sicher größere Mengen Fettgewebe zu entfernen, so ist es heutzutage in spezialisierten Zentren ein Routineeingriff. Entscheidend war hier die Einführung und Weiterentwicklung der Tumeszenztechnik durch den Dermatologen Jeffrey Klein in den 80er Jahren. Seither ist es möglich diese Operationen in Lokalanästhesie und ohne Vollnarkose durchzuführen (Siehe Operative Therapie). Bezüglich der weiterführenden Diagnostik gibt es erste relevante und vielversprechende Ansätze in den letzten Jahren (Siehe Forschung).
Symptome
Hämatome
Durch die Gefäßfragilität (Brüchigkeit der Gefäße) kommt es vermehrt zu blauen Flecken. In der Fachsprache werden diese kleinen Hämatome als Ekchymosen (kleinste Einblutungen), Sugillationen (typische münzgrosse Einblutungen) oder Suffusionen (größere blaue Flecken) bezeichnet. Viele Patientinnen beschreiben, dass diese blauen Flecken spontan entstanden sind, also dass kein oder nur ein minimales Trauma erinnerlich ist. Typisch ist auch, dass diese kleinen Einblutungen sehr lange andauern und in einigen Fällen können sogar bräunliche Pigmentierungen für Wochen oder Monate bestehen bleiben. Im Zentrum für Lipödem konnten wir nachweisen, dass die Gefäßstruktur und die Durchlässigkeit beim Lipödem anders ist, als bei gesunden Frauen. Darüberhinaus konnte auch gezeigt werden, dass die kleinsten Gefäße, die Kapillaren, beim Lipödem deutlich vermehrt sind (Siehe Forschung).
Schwellungsneigung
Anfänglich in der warmen Jahreszeit, im weiteren Verlauf dann ganzjährig, sowie bei stehendem und sitzendem Beruf, klagen die Patientinnen über eine deutliche Schwellungsneigung. Bei moderat ausgeprägtem Lipödem werden die Schwellungen lediglich im Verlauf des Tages bemerkt, bei längerem Bestehen bildet sich die Schwellung in der Nacht jedoch nicht mehr vollständig zurück und somit sind die Beine dann bereits am Morgen geschwollen und schwer. Die Patientinnen berichten von "Beinen schwer wie Beton", welche eine normale Fortbewegung und vor allem das Stiegensteigen deutlich beeinträchtigen.
Nach einer Abklärung durch einen Lipödem Spezialisten sollte bei ausgeprägter Schwellungsneigung konsequent Kompressionswäsche getragen werden. Dadurch können das Schweregefühl und die damit verbundenen Erschöpfungszustände etwas verringert werden.
Druckschmerz und Spontanschmerz
Die Qualität der Spontanschmerzen wird oft als "dumpf", "drückend", "schwer" oder als "Berstungsgefühl", also dem Gefühl des Zerreissens der Beine, angegeben. Zusätzlich besteht meistens ein Druckschmerz, welcher bereits durch leichten Druck, z.B. durch das Sitzen eines Kleinkindes am Schoss, verursacht werden kann.
Je ausgeprägter die Schwellungsneigung und je praller die Beine desto stärker präsentiert sich normalerweise die Schmerzsymptomatik. Einfache Untersuchungen, wie eine Ultraschalluntersuchung der Beinvenen, bereiten häufig unnatürliche Schmerzen, wobei im Gegensatz dazu, das Kneifen am Bauch keine Schmerzen verursacht. An den Oberarmen wird neben einem Druckschmerz der Armaußen- und Rückseite, oft ein Schweregefühl beschrieben. Dieses macht es häufig notwendig, das Föhnen der Haare zu unterbrechen, da es zu krampfhaften Zuständen in den Oberarmen und Schultern kommen kann.
Depressive Verstimmung
Leider werden bei der Beschreibung des Lipödems oft nur die körperlichen Symptome herangezogen, die Auswirkungen auf die Psyche sind jedoch beim Lipödem auf keinen Fall zu unterschätzen. Viele Patientinnen geben sich fälschlicherweise selbst die Schuld. Abwertende Kommentare und Witze tragen den Rest zur Schmälerung des Selbstbewusstseins bei.
Aufgrund des auffälligen Erscheinungsbildes verstecken die Lipödem Patientinnen ihre Beine und Arme, besuchen im Sommer kein öffentliches Bad mehr und schränken ihr Leben zunehmend ein.
Sportliche Aktivität, welche sich beim Lipödem prinzipiell wenig effektiv zeigt, wird unter dem Motto " Es bringt ja sowieso nichts" noch weiter reduziert. Die weitere Immobilität führt oft zu einer begleitenden Adipositas und somit zu einer Verschlimmerung des Lipödems. Die Durchbrechung dieses Teufelskreises hat oberste Priorität, da es sonst zu schwerwiegenden körperlichen und seelischen Folgeschäden kommen kann.
typen und Stadien
Das Lipödem wird in fünf verschiedene Typen und in drei (-vier) Grade bzw. Stadien eingeteilt. Die Typen beschreiben die betroffene Region, die Stadien die Stufen des Krankheitsverlaufes. Diese Einteilung gibt einen groben Überblick, ist jedoch etwas unglücklich gewählt, weil z.B. eines der Kardinalsymptome, nämlich der Schmerz, in der Einteilung der Stufen keine Bedeutung findet.
Eine Patientin mit noch glatter Hautoberfläche (Stadium 1) kann jedoch unter deutlich mehr Beschwerden leiden als eine Patientin, bei welcher bereits Hautlappen über die Knie hängen und die Haut maximal gedehnt ist (Stadium 3). Besteht zusätzlich zum Lipödem noch ein Lymphödem wird dies als Lipolymphödem und manchmal auch als Stadium 4 bezeichnet.
Auch diese Kategorisierung ist nicht ganz stimmig, da auch schon Patientinnen mit einem Stadium 2, also mit unregelmäßiger Oberfläche und kleinknotigen Veränderungen im Fettgewebe, an einem begleitendem Lymphödem leiden können.
Die Arme, also der Typ IV, sind in unseren Untersuchung in ca. 2/3 der Fälle mit betroffen. In einigen Fällen wird die Diagnose an den Armen einige Monate bis Jahre nach der Diagnosestellung der Beine gestellt. Die Beschwerden an den Armen treten somit in der Regel versetzt, nach dem Einsetzen der Beschwerden an den Beinen auf.
Hierbei ist ein reiner Oberarmtyp von einem Ganzarmtyp zu unterschieden. Der Ganzarmtyp präsentiert sich fast immer mit dem typischen Muff am Unterarm vor dem Handgelenk.
Ein isolierter Befall der Arme, ohne Beteiligung der Beine ist extrem selten. Fast nicht anzutreffen ist auch eine reine Beteiligung des Unterarmes, ohne dass der Oberarm ebenfalls betroffen ist ("Popeye Arme").
Im Gegensatz gibt es bei ca. 5% der Patientinnen einen reinen Unterschenkeltyp (Typ V) mit ausgeprägter Beschwerdesymptomatik und eine Variante mit zwar deutlichem, klinischem Erscheinungsbild, aber keinen bis minimalen Beschwerden.
Das Lipödem ist in der Regel symmetrisch, jedoch kann bei Lymph- oder Venenproblemen eine Asymmetrie entstehen. Im klinischen Alltag sind auch immer wieder Patientinnen zu sehen, bei welchen es nach einem Unfall zu einer reaktiven Vermehrung von Fettgewebe und somit zu einer deutlichen Asymmetrie gekommen ist.
Zusammenfassend sei erwähnt, dass die Typen und Stadieneinteilungen eine grobe Einschätzung der Erkrankung Lipödem geben, jede Patientin aber individuell betrachtet und ein maßgeschneidertes Behandlungskonzept erstellt werden.
LIPödem TYpen
TYP I
Beim Reiterhosentyp zeigt sich eine oft sehr ausladende Reiterhose bei relativ schmaler Taille. Die Hüften können in diesem Fall sehr druckempfindlich sein.
TYP II
Typisch für diesen Typ ist der schlanke Unterschenkel welcher proportional nicht zum Oberschenkel passt. X-Beine sind hier sehr häufig anzutreffen.
TYP III
Dieser Typ wird auch Ganzbeintyp genannt. Es ist die häuftigste Form des Lipödems. Hier ist der typische Muff über dem Sprung-
gelenk zu erkennen.
TYP IV
Es sind der Oberarm Typ und der Ganzarm Typ, bei welchem es zu einer Muff Bildung beim Handgelenk kommt, zu unterscheiden.
TYP V
Der reine Unterschenkeltyp ist selten, aber oft sehr eindrucksvoll. Es kann nahezu schmerzlos sein, aber auch in einer sehr schmerzhaften Variante auftreten.
Stadium 1
In diesem Stadium, welches auch als Anfangsstadium oder "inzipientes Lipödem" bezeichnet werden kann, ist die Oberfläche der Haut noch glatt und das Unterhautfettgewebe ist homogen und zeigt noch keine knotigen Veränderungen. Obwohl ein Lipödem in diesem Stadium, für einen ungeübten Untersucher, oft noch nicht als Krankheit zu erkennen ist, beschreiben gerade diese Patientinnen einen ausgeprägten Druck unter der Haut. Die operative Therapie eines Lipödems im Stadium 1 ergibt funktionell und ästhetisch die besten Ergebnisse und das Tragen von Kompressionswäsche ist nach einem operativen Eingriff meist nicht mehr notwendig.
Die reine konservative Therapie ist bei den meisten Stadium 1 Lipödemen nicht zielführend, da in den allermeisten Fällen die Ödem Komponente fehlt.
Stadium 2
Die meisten Patientinnen stellen sich in diesem Stadium erstmalig vor. Die Haut zeigt bereits Einziehungen und ein unregelmäßiges Oberflächenrelief. Das Unterhautfettgewebe ist bereits verdickt und zeigt teils schon tastbare knotige Veränderungen. Die Kniefettkörper und der Muff über dem Sprunggelenk beginnen bereits hervorzutreten. Im Ultraschall kann die verdickte Fettschicht, sowie manchmal bereits ein kleiner Lymphsaum, im Rahmen einer Lymphstase, vor der Schienbeinkante nachzuweisen sein. Bei ausgeprägter Schwellung bringt eine Kompressionswäsche Erleichterung. Das Zusammenziehen der Haut nach einer Liposuktion ist hier meist noch ausreichend, sodass keine folgende Straffungsoperation notwendig ist.
Stadium 3
Im Stadium 3 kommt es bereits zu einer ausgeprägten Umfangsvermehrung der Beine, mit bis zu pfirsichgroßen, subkutanen Knotenbildungen. Die Haut ist bereits chronisch gedehnt, sodass sich unter der Haut vermehrt Flüssigkeit ansammeln kann. In diesem Stadium kann es auch zu einer Wammenbildung kommen. Diese äußert sich als größere Hautlappen, welche über die Knie hängen. Die Patientinnen geben ein massives Schweregefühl im Laufe des Tages an und erste orthopädische Folgeschäden wie X-Beine führen zu beginnender Immobilität und deutlicher Einschränkung der Lebensqualität. Kompressionswäsche hilft teilweise gegen die Schwellungsneigung. Eine operative Sanierung der Beine im Stadium 3 benötigt bereits 3 Sitzungen. Dadurch kann noch eine Beschwerdelinderung erreicht werden, ein ästhetisch ansprechendes Ergebnis ist jedoch nur mehr schwer zu erlangen.
Lipolymphödem ("Stadium 4")
Ein Lipolymphödem, oft auch als Stadium 4 bezeichnet, ist die Kombination eines Lipödems und eines Lymphödems. Ein länger bestehendes, unbehandeltes Lipödem kann sekundär zu einem zusätzlichen Lymphödem führen. Es kann aber auch ein lang bestehendes Lymphödem, durch den Rückstau der proteinreichen Substanz, sekundär zu einer Fettgewebsvermehrung und somit zu einem Lipödem führen. Beide Richtungen der Entstehung eines Lipolymphödems sind also möglich.
Die Vorfüße sind geschwollen und die Haut über den Zehen lässt sich nicht abheben. Die Haut ist im Gegensatz zu einem reinen Lipödem allgemein praller, glänzender, ruckschmerzhafter und zeigt erste Stauungsschäden. Im Ultraschall sind Lymphseen zu erkennen (Siehe Diagnose).
Zusätzlich zur Kompressionsversorgung ist eine regelmäßige manuelle Lymphdrainage in diesem Stadium unabdingbar.
"Lipödem ist eine Erkrankung - Lassen Sie sich nicht desillusionieren"