Diagnose

Eine ausgiebige und gewissenhafte Diagnostik ist beim Lipödem sehr wichtig, da diese die Entscheidung für die weiteren Therapiemaßnahmen setzt.

Klinische Untersuchung

Das klinische Bild und die Anamnese sind beim Lipödem häufig sehr typisch. Die meisten Patientinnen berichten über eine Zunahme des Bein und/oder Arm Umfanges in der Pubertät, mit Spannungsgefühl, Druckschmerzhaftigkeit und spontanen blauen Flecken.
Typisch ist, dass die Hände und Füsse ausgespart bleiben und über dem Sprung- bzw. vor dem Handgelenk einen muffartigen Abschluß zeigen (Ganzarmtyp).
Aufgrund dieser Symptomatik kann ein Lipödem meist bereits durch die Eigen- und Familienanamnese, sowie die klinische Untersuchung, von einem Lymphödem oder Phlebödem unterschieden werden. Bei diesen Erkrankungen kommt es, im Gegensatz zum Lipödem, auch zu Schwellungen am Fußrücken, welche bis in die Zehen reichen können. Die Haut ist dort dann prall und gespannt, sodass ein Abheben der Haut an den Zehen beim Lymphödem nicht mehr möglich ist (Stemmer Zeichen).
Der Kneiftest, also das Zusammenkneifen eines Hautlappens inklusive Unterhautfettgewebe zwischen zwei Fingern, ist meistens hoch positiv. In vielen Fällen besteht auch ein inverser Kneiftest. Das bedeutet, dass an den Außenseiten der Beine ein stärkerer Druckschmerz besteht als an den Innenseiten der Beine. Dies ist sehr typisch für den Reiterhosentyp.
Der typische Muff beim Lipödem (welcher nicht immer vorhanden sein muss!!!), verfließt beim Lymphödem und am Fußrücken ist es möglich Dellen auf Druck in der Haut zu hinterlassen.
Neben der klinischen Untersuchung ist die Durchführung einer Ultraschalluntersuchung, sowie eine analytische Waage notwendig. Eine Hautprobenentnahme ergibt derzeit noch keine eindeutigen aussagekräftigen Ergebnisse. Forschungen im Zentrum für Lipödem zeigen jedoch eindeutige histologische und molekularbiologische Veränderungen (siehe Forschung).

Ultraschall

Leider führen noch immer viele Ärzte bei der Erstuntersuchung des Lipödems lediglich eine oberflächliche klinische Untersuchung durch. Für eine gründliche Diagnostik und vor allem um  Differentialdiagnosen auszuschliessen, ist ein Duplex/Doppler Ultraschall essentiell. Vor allem rein ästhetisch tätige Chirurgen, ohne Zusatzausbildung, verzichten sehr oft auf diese wertvolle diagnostische Bildgebung und es ist immer wieder zu beobachten, dass Patientinnen dadurch die falsche Therapie erlangen.

Viele Patientinnen leiden unter Schwellungszuständen. Diese können auch von einem Venenleiden ausgelöst oder verstärkt werden. Eine sonografische Abklärung der oberflächlichen Leitvenen und des tiefen Venensystems muss bei jeder Lipödemdiagnostik durchgeführt werden. Wird eine Venenschwäche festgestellt, sollte diese vor einem geplanten Lipödem Eingriff saniert werden. Hier ist es von Vorteil, wenn der Diagnostiker, der Behandler des Venenleidens und der Operateur des Lipödems ein und dieselbe Person ist.
Ein ausgeprägtes Krampfaderleiden würde das Blutungsrisiko bei einer Liposuktion erhöhen.
Außerdem kann ein chronischer Rückstau von Flüssigkeit die Vermehrung von Fettzellen begünstigen, sodass ein primär symmetrisches Lipödem, durch einen einseitigen Rückstau, asymmetrisch werden kann.

In der Ultraschalluntersuchung wird weiters eine Schichtdickenmessungen an vordefinierten Stellen durchgeführt. Typische Fettkörper wie der "Flaschenhalsfettkörper", in welchem sich die Lymphbahnen des Beines verengen, werden vermessen und für die Diagnostik herangezogen. Weiters wird neben der Schichtdickenmessung und des Venenstatus auch ausgeschlossen, ob ein begleitendes Lymphödem vorliegt. Ein ausgeprägtes Lymphödem wurde meist bereits durch die klinische Untersuchung und die Anamnese der Patientin festgestellt bzw. vermutet.
Zu unterscheiden von einem Lymphödem ist jedoch die Lymphstase, welche im Rahmen eines höhergradigen Lipödems vorliegen kann. Diese besteht oft bei Lipödemen mit ausgeprägter Schwellungsneigung und kann im Ultraschall sehr gut identifiziert werden. Diese Patienten profitieren deutlich mehr von einer konservativen Kompressionstherapie, als es die Patientinnen mit reinem Lipödem ohne Lymphstase tun würden.
Somit ist eine ausführliche und gründliche Untersuchung und Abklärung der Differentialdiagnosen unabdingbar und stellt die Weichen für die weitere Vorgehensweise. 

Weitere Merkmale im Ultraschall wären das Bild des sogenannte Schneegestöbers, welches durch das kompakte Unterhautfettgewebe beim Lipödem oft zu beobachten ist. Eine normale subkutane Fettschicht stellt sich homogen und ohne verdickte Septen und Faszien dar. Diese Bilder sind nicht immer vorzufinden und geben dem Untersucher lediglich Anhaltspunkte, helfen aber mit der klinischen Untersuchung die Diagnose fast immer stellen bzw. ausschließen zu können.

Analytische Waage

Mit der analytischen Waage sehen wir neben den Grundparametern wie Gewicht, BMI und Fettanteil, auch rechnerische Werte, wie den Anteil an viszeralem Fett (inneres Bauchfett) und die Menge des Körperwassers. Diese Parameter unterstützen nicht nur bei der Diagnosestellung, sondern geben wichtige Anhaltspunkte in der Heilungs- und Verlaufsphase. Die Messungen werden vor, sowie nach der ersten und zweiten Operation verglichen.

Das Körperwasser steigt nach der Operation meist proportional an, da die großflächige Wunde Flüssigkeit bindet. Spätestens nach Abschluß der Heilung (6-12 Monate), ist wieder eine Normalisierung  des Körperwasseranteils zu verzeichnen. Patientinnen mit zusätzlichem Phlebödem und/oder Lymphödem (Phlebolipolymphödem), haben naturgemäß einen höheren Körperwasseranteil. Bei dieser Kombination ist auch eine Reduktion der messbaren Flüssigkeit durch konsequente, komplexe physikalische Maßnahmen möglich.

Der BMI (body mass index) ist ein gängiger und wichtiger analytischer Wert. Dieser wurde jedoch ursprünglich für die Adipositas entwickelt. Da es beim Lipödem zu einer deutlichen Verschiebung des Fettgewebes kommt, kann der BMI nur teilweise für die Diagnostik herangezogen werden und ist lediglich bei einer begleitenden Adipositas aussagekräftig.
Die Waist-Hip-Ratio und die Waist-Heigth-Ratio sollten jedenfalls bei der Erfassung der Parameter auf keinen Fall fehlen, um den Verlauf bei einer begleitenden Adipositas besser abschätzen zu können.

In der Regel ist neben eines Gewichtsverlustes und einer Reduktion des Körperfettes, ein Anstieg des Grundumsatzes zu beobachten.
Sehr viele Lipödem Patientinnen leiden unter einem sehr geringen Grundumsatz, deshalb sind ca. 50% der Lipödem Patientinnen begleitend auch adipös. Ein geringerer Grundumsatz bedeutet, dass die betroffenen Frauen deutlich mehr sportliche Aktivität durchführen müssen, als vergleichbare gesunde Frauen. Darüberhinaus führen diätetische Maßnahmen später und nur teilweise zu den gewünschten Erfolgen. Nach einer erfolgreich durchgeführten Operation ist ein Anstieg des Grundumsatzes sehr oft zu verzeichnen. Die Patientinnen können folglich durch sportliche und diätetische Maßnahmen wieder Gewicht reduzieren, was zuvor oft viele Jahre nicht bzw. nur sehr schwer möglich war.

Weiterführende Diagnose

Alle weiterführenden Untersuchungen sind optional und in den allermeisten Fällen nicht notwendig. Ergeben sich jedoch bei der klinischen Untersuchung und in der Bildgebung mittels Ultraschall Unklarheiten, kann eine weitere Diagnostik hilfreich und sinnvoll sein. 
Ist aufgrund der Anamnese oder des klinischen Erscheinungsbildes anzunehmen, dass eine höhergradige Lymphabflussstörung vorliegt, wäre die Lymphszintigraphie die Methode der Wahl. Bei einem Lipödem ist diese Untersuchung in der Regel unauffällig, Störungen im Lymphabfluss können bei kombinierten Erkrankungsbildern jedoch sichtbar gemacht werden.
Sprechen Sie mit Ihrem Arzt über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieser optionalen Diagnosemethoden.

"Nur ein spezialisierter Arzt, welcher mehrere hundert Lipödem Patientinnen pro Jahr untersucht, kann zuverlässig die Diagnose Lipödem stellen oder ausschließen"

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